Schuld und Ostern
14. april 2025
Dass die Ostergeschichte etwas mit Schuld zu tun haben könnte, ist weithin in diskrete Vergessenheit geraten. Der Osterhase als Merkmal und Erkennungszeichen des nachchristlichen Osterbegängnisses liefert dafür auch in der Tat keinen Anhalt. Fruchtbarkeit und Schokoladeneier sind stattdessen die Leitmotive der vielen Festtage um den ersten Sonntag nach Vollmond im Frühling herum. Auch die kirchliche Predigtkultur tut sich schwer mit der in der Tat schmerzlichen Differenz zwischen dem qualvollen Tod Jesu in Jerusalem und der in die Frühlingsluft der mittleren Breiten schießenden Blumen- und Blätterpracht, zwischen einem als Opfertod verstandenen Ereignis vor langer Zeit und der jahreszeitlich bedingten Lebenslust nach einer meistens trüben Winterepisode. Da liegen schöpfungsorientierte Bilder näher als Schuldverstrickungen und Aufrechnungen von üblen Vorkommnissen. Verständlich. Freilich, niemand unter den Sterblichen mit einem leidlich funktionstüchtigen Gewissen entkommt der Schuldfrage. Und ebensowenig der unmittelbar anschließenden Suche nach einem Ausweg aus der schlichten Tatsache, dass wir aneinander und unserer Umwelt schuldig werden, wissentlich oder versehentlich. Dieser Unterschied ist für die Geschädigten und Leidtragenden ja auch meistens unerheblich. Die Ostertage rufen das in Erinnerung. Und zwar nicht als schwarzpädagogisches Plädoyer für ein nun einmal notwendiges Maß an Grauen und Negativität, dass zu schultern die mannhafte Aufgabe von erwachsenen Menschen ist. Sondern viel elementarer und tiefer. Die österliche Freudenfeier ist gekoppelt an den Golgatha-Moment: Der Gekreuzigte wird auferweckt, nicht irgendwer. Es ist die durchgestandene Schuld, die sich zu neuer Freiheit erhebt. Es ist das Opfer, dass zum Lebensimpuls verwandelt wird, keine Wiedergutmachung als moralisches Geschäft. Das Überschreiten der schuldverursachten Lebenshemmnisse ist jenes Beflügeln, das dem Osterfest den besonderen, eben – und durchaus! – schöpferischen Glanz vermittelt. Darüber werden die Osterhasen nur staunen können …
Helmut Aßmann
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